Procreate vs. Adobe Fresco

Mai 30, 2020Creative Tools, Visual Content

Wer am iPad kreativ arbeiten möchte, kommt an der App Procreate nicht vorbei. Doch auch Adobe hat nachgelegt und mit Fresco eine weitere App für Digital Creatives auf den Markt gebracht. Dazu habe ich vor ein paar Monaten schon einen Blogpost geschrieben und die Funktionen der beiden Apps miteinander verglichen. Mittlerweile haben beide Apps ein paar Updates erlebt, unter anderem wurde bei Procreate 5.0 die Brush Engine erneuert. Dadurch hat man jetzt beim Erstellen neuer Pinsel noch mehr Einstellungsmöglichkeiten. Es war also an der Zeit für mich, die zuvor gelobten Live-Pinsel von Fresco mit den neuen Pinseln von Procreate zu vergleichen. Meine Erfahrung möchte ich jetzt mit euch teilen.

Procreate und Adobe Fresco im Vergleich
Procreate vs. Adobe Fresco, die beiden Kreativ-Apps im Vergleich. Links Procreate, rechts Adobe Fresco.

Procreate vs. Adobe Fresco – ein Vergleich

Um die beiden Apps miteinander vergleichen zu können, definierte ich zunächst die Rahmenbedingungen: Mit nativen Features sollte ein möglichst realistisches Aquarellgemälde entstehen. Dazu wollte ich nicht nur die Farbverläufe überprüfen, sondern auch wie echt sich die Pinsel verhalten und ob sich eine realistische Papierstruktur erzeugen ließe.

Mir war wichtig, nur in der App vorhandene Pinsel und Einstellungen zu verwenden. Das heißt also, kein Import von Bildmaterial oder neuer Pinsel. Immerhin möchte ich ja feststellen können, welche App nativ die besten Voraussetzungen für digitale Aquarelle mit sich bringt.

Außerdem habe ich zur Übersicht einmal alle Funktionen aufgelistet, die Procreate 5.0 und Adobe Fresco nativ beinhalten (die Übersicht steht gratis zum Download bereit). Wenn man allein diese Liste begutachtet fällt auf, dass Procreate den größeren Funktionsumfang hat. Doch wie stark sind die von Adobe gelobten interaktiven Pinsel wirklich? Und kann da ein Aquarell-Pinsel bei Procreate mithalten?

Vergleich Funktionen Procreate vs. Adobe Fresco Download PDF

Kann Procreate auch Aquarell?

Wer sich Procreate auf dem iPad installiert, der kann auf eine Vielzahl verschiedener Pinsel zugreifen oder sich selbst Pinsel anlegen. Das geht in Procreate recht einfach. Entweder man dupliziert einen Pinsel, der einem besonders gut gefällt (nach links wischen) und passt diesen nach seinen Vorstellungen an. Oder man legt selbst einen Pinsel an (über das Plus-Zeichen) und kann die Körnung bzw. Form nach Belieben selbst erstellen oder aus der Procreate-eigenen Quellbibliothek importieren. Wer sich nicht mit der Technik beschäftigen möchte, kann auch auf einer der vielen kreativen Plattformen (wie zum Beispiel hier bei designcuts.com) oder direkt bei einem Anbieter Aquarellpinsel kaufen. Dies sei aber nur am Rande erwähnt, denn für den Vergleich fokussiere ich mich auf die originalen Procreate Brushes.

Für die Aquarell-Optik wählte ich den nativen „Wild Light“ Pinsel (aus der „Künstlerisch“ Pinselsammlung). Dieser Pinsel setzt sich aus verschiedenen Formen/Körnungen zusammen. Dadurch ergibt sich eine leicht verschwommene und eher wässrige Optik. Also genau das, was man sich von einem Aquarell-Pinsel verspricht.

Verschiedene Aquarellpinsel bei Procreate im Vergleich
Procreate bietet von Hause aus verschiedene Aquarell-Pinsel an. Wem diese Auswahl nicht ausreicht, kann von verschiedenen Anbietern neue Pinsel kaufen oder seine eigenen Pinsel erstellen.

Der Pinsel ist druckempfindlich eingestellt. Das heißt, je deutlicher der Druck mit dem Pencil ist, desto breiter wird die gezeichnete Linie. Um ein möglichst realistisches Ergebnis zu erzielen, sollte die Deckkraft des Pinsels nicht auf 100% gestellt sein. Die Farbintensität kann dann durch mehrmaliges Übermalen der gleiche Stelle gesteuert werden. So entsteht der charakteristische Eindruck von Aquarell.

Aquarell-Pinsel Procreate
Der Pinsel „Wild Light“ ist ein nativer Pinsel in Procreate und ist einem Aquarell-Pinsel nachempfunden. Er hat eine leichte Papierstruktur.

Mit dem Wischfinger und dem gleichen Pinsel können die Farben künstlich verwischt und miteinander vermischt werden. Wenn nachträgliche Highlights hinzugefügt werden sollen, so kann entweder mit der Radierfunktion (und dem Pinsel „Wild Light“) die Farbe wieder abgetragen oder mit einem weißen Pinsel Lichtreflexe eingezeichnet werden.

Für die Papierstruktur im Hintergrund habe mit dem Pinsel „Soft-Pastell“ (aus der Pinselsammlung „Skizze“) zwei Ebenen eingezeichnet und anschließend gruppiert. Die Ebene mit der hellblauen Pastel-Struktur habe ich auf „Ineinanderkopieren“ und die beige Struktur auf „Linear nachbelichten“ gestellt. Da die Struktur-Gruppierung über den Ebenen mit den Aquarell-Motiven liegt, wirken diese nun durch. Das rundet das finale Ergebnis ab.

Besonders hilfreich, wenn es um die Farbsteuerung geht, sind die Funktionen unter „Anpassungen“ (zu finden oben links bei dem Zauberstab-Icon). Über das Auswahl-Werkzeug können einzelne Bereiche ausgewählt und dann punktuell über die Anpassung „Farbton, Sättigung, Helligkeit“ angepasst werden. So können Schattierungen oder Highlights eingearbeitet werden.

Procreate und Adobe Fresco im Vergleich
Das Ergebnis. Mit einem Strukturpinsel und dem Ebenenmodus „Ineinanderkopieren“ wird der Eindruck von Papier vermittelt.

Adobe Fresco: Wie gut sind die interaktiven Pinsel wirklich?

Die große Stärke von Adobe Fresco sind die interaktiven Pinsel. Diese gibt es aktuell als Aquarell- und Ölfarbe-Ausführung. Sie verhalten sich wie wirkliche Aquarell-Farben. Das heißt, sie verlaufen organisch ineinander. So entstehen teilweise sehr schöne Farbverläufe und Schattierungen. Eine Ebene kann auch „getrocknet“ werden, damit das Verlaufen unterbunden wird.

Unterschiedliches Verhalten bei Adobe Fresco interaktiven Pinseln
Die große Stärke von Adobe Fresco: interaktive Pinsel. Je nach Fluss- und Wasseranteil lässt sich die Farbintensität bestimmen. Die Farben fließen wie das wässrige Original ineinander und es entstehen tolle Aquarelle.

Für die Steuerung von Farbintensität und Farbverlauf sind die Einstellungen bei Fluss und Wasseranteil. Die deutsche Übersetzung ist hier etwas irreführend. Über „Fluss“ lassen sich die Anzahl der Farbpigmente einstellen. Je höher der Wert, desto farbintensiver ist die Farbe. Über den Wasseranteil lässt sich festlegen, wie stark die Farbe fließt und verschwimmt. Zum nachträglichen Verwischen gibt es leider keine extra Funktion wie in Procreate (mit dem Wischfinger). Hier muss bei Fresco „reines Wasser“ verwendet werden. Dazu entweder die kleine runde Schaltfläche mit Doppelklick aktivieren oder bei den Farbeinstellungen die Sättigung des Pinsels auf 0 stellen.

Aquarell-Pinsel Adobe Fresco
Interaktive Pinsel in Adobe Fresco (Öl und Aquarell) verhalten sich wie echte Farben. Sie verlaufen ineinander und erzeugen somit organische Farbverläufe.

Die interaktiven Pinsel lassen sich nicht manuell erstellen. Hier bietet Fresco aktuell nur 5 Aquarell- und 7 Ölpinsel. Bei den Pixelpinseln gibt es 11 Pinselsammlungen. Es lassen sich Photoshop-Pinsel importieren oder über „weitere Pinsel“ die Sammlung von Kyle T. Webster über die Creative Cloud integrieren.

Generell ist die Brush-Engine bei Adobe Fresco nicht ganz so komfortabel wie bei Procreate. Die Pinseleigenschaften können zwar angepasst werden, neue Pinsel zu erstellen ist hier aber nur über den Umweg mit Photoshop möglich.

Prinzipiell sind die interaktiven Pinsel sehr realistisch. Ich persönlich finde es aber schwer, die Pinsel abzuschwächen und zu verwischen. Ich finde es schade, dass es hier nur die Funktion „Wasserpinsel“ gibt. Die Optik beim Verwischen ist mir oft zu „nass“. Die Farbverläufe nachträglich anzupassen wäre durch ein Verwischen-Werkzeug sehr viel einfacher. Das gilt übrigens vor allem auch für die Pixel-Pinsel.

Außerdem war es schwierig, die Papierstruktur nachzuempfinden. Ich habe alle Pinsel nach einer Aquarellpapier-Struktur durchsucht. Einen Pinsel nach meinen Vorstellungen habe ich leider nicht gefunden, der „The Predator“-Pinsel und „Kyle’s Drawing Box-Pastella“ kamen meiner Vorstellung noch am nächsten. Eine Alternative wäre es, ein Bild mit einer entsprechenden Struktur zu importieren und über einen der Ebenenmodus den entsprechenden Effekt zu erzeugen.

Ein weiterer Punkt, der mir bei Adobe Fresco negativ auffällt, ist der erhöhte Energieverbrauch im Vergleich zu Procreate. Eine weitere Auswirkung der Animation der interaktiven Pinsel.

Procreate und Adobe Fresco im Vergleich Details
Procreate vs. Adobe Fresco: Der Vergleich im Detail. Links Procreate mit der gewählten Pinselstruktur, rechts Adobe Fresco.

Mein persönliches Fazit

Welche Optik einem jetzt besser gefällt, ist subjektiv. Dazu muss ich sagen, dass ich nicht der routinierteste Aquarellzeichner bin. Das Erlebnis, der interaktiven Pinsel in Fresco macht Spaß und kommt dem Verhalten von echten Wasserfarben schon sehr nahe. Allerdings ist das Handling in Procreate sehr viel einfacher. Es gibt dort viel mehr Möglichkeiten und Funktionen was Farbgestaltung, Schattierungen und Strukturen angeht. Was ich genau damit meine: Kurven, Farbton und Sättigungs-Werkzeuge, Wisch-Funktion, Weichzeichner, Clipping-Masken und einfaches Erstellen neuer Pinsel. Da ist Adobe Fresco nach wie vor unterlegen und allein die interaktiven Pinsel können dies meiner Meinung nach nicht aufwiegen. Bei dem Vergleich Procreate vs. Adobe Fresco hat für mich also das Produkt des australischen Entwicklerteams rund um Procreate die Nase deutlich vorn.

Wie sind deine Erfahrungen mit den beiden Apps? Teilst du meine Meinung oder hast du eine andere? Dann lass mich an deinem Wissen teilhaben. Entweder direkt hier, im Austausch per Mail oder eine der Social Media Kanäle.

Stay creative ✌?

2 Kommentare

  1. Ansgar

    Danke für die schönen Bilder und die ausführliche Gegenüberstellung.

    Antworten

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